Italien

Sizilien in der Nebensaison

Etna gesehen von Monte Tour, Sizilien

Prolog: Der Signor vom Campingplatz

Es sind doch nur 22 Kilometer, gleich sind wir auf dem Campingplatz. Na klar … Eine Stunde später ist es dunkel und wir sind immer noch unterwegs, irgendwo nordwestlich von Catania. Nein, wir haben uns nicht verfahren, das läuft hier halt so. Den Plan, unterwegs noch eine Gaskartusche und Essen zu besorgen, haben wir bereits verworfen und rufen stattdessen den Campingplatz an, um unseren Überraschungsbesuch anzukündigen. Aus dem Smartphone ergießt sich ein schneller und äußerst ausführlicher Redeschwall. Wir verstehen nichts, der Signor am anderen Ende der Leitung wohl auch nicht. Wir reden mit Händen und Füßen, leider ist ein Telefon für solche Kommunikationsarten nicht geeignet. Bene, grazie, weiterfahren.

Regel Nr. 1: Wenn du abends oder nachts ankommst, solltest du in weiser Voraussicht eine Unterkunft gebucht haben.

Es ist kurz vor neun, als wir den Campingplatz erreichen. Und er hat zu. Und die Klingel funktioniert nicht. Kein Nebeneingang, kein Licht, kein Mucks. Am Zaun hängt Stacheldraht, so dass größere Einstiegsaktionen mit Handgepäck nicht in Frage kommen. Also nochmal anrufen. Der Signor redet. Wir verstehen weiterhin nichts. Dann lesen wir alle Schilder am Tor vor. Naja, so gut wir halt können. Und siehe da, das Tor öffnet sich nach einer Weile. Und da steht er.

Er ist mittelgroß, um die 60, dichter Schnurrbart, dunkle Augen. Seine gesteppte, blaue Daunenjacke hängt ihm fast bis an die Kniekehlen, über die Ohren hat er sich eine Mütze gezogen. In großen, langsamen Schritten kreist er über den Campingplatz. Ob er weiß, ob hier noch ein Supermarkt offen hat? „Tomorrow, morgen.“ Na toll. Er schaut uns an, grinst und bestellt uns Pizza. Er stellt uns einen Gartentisch und -stühle hin und wartet persönlich auf den Pizzalieferdienst, bevor er sich in seinen Campingwagen zurückzieht.

Regel Nr. 2: Lese die letzten Seiten deines Reiseführers (falls vorhanden). Sie sind meistens mit „Grundwortschatz“ betitelt. 

In den nächsten Tagen deponiert der Signor freudestrahlend bei uns auch mehrere angebrochene Flaschen Hochprozentiges, die er (voraussichtlich) von abfahrenden Gästen vermacht bekommen hat. Wir sind gut versorgt. Warme Dusche? Kein Problem. Da der Campingplatz zwar Duschräume hat, dort jedoch kein angeschlossenes Wasser, bekommen wir prompt eine Hütte zugewiesen. Dort steht eine Scheune und hinter der Scheune ein Kabuff mit einer ominösen Schiebetür und da, genau dahinter versteckt sich ein Quadratmeter „Dusche“ mit voller Auswahl an diversen herrenlosen Shampoos und Duschseifen. Heißes Wasser gibt es auch, die ersten paar Minuten zumindest, denn dann muss man ein Weilchen warten, bis der Erhitzer seine Arbeit verrichtet hat. Was ganz gut ist, denn sonst läuft das mit etwas Erde und Laub verzierte Duschbecken über, fließt unter dem Kabuff durch und versickert in dem dunklen, frisch gerechten Vulkanboden vor der Scheune.

Regel Nr. 3: Immer mit den Landesgepflogenheiten und -standards bekannt machen. VOR der Reise. 

Der Campingplatz erwacht erst zum Leben. Es ist schließlich erst Anfang April und damit noch tiefste Nebensaison auf Sizilien. Der Signor und seine Herrenmannschaft mähen den Rasen, säubern den Swimmingpool, kämpfen mit vollem Körper- und Stimmeinsatz mit den offensichtlich zähen Wasserleitungen in den Waschräumen, verlegen Mosaiksteine auf den Gehwegen. Damit sind sie vielen anderen Campingplätzen – wie wir später erfahren werden – weit voraus. Wir bleiben drei Tage und genießen die Stille auf dem wirklich hübschen Campingplatz. Und wir kommen definitiv wieder, wenn wir nochmal in Sizilien sind. Und hoffentlich ist der Signor immer noch da.

Regel Nr. 4: Vergiss alle Regeln und es wird ein unvergesslicher Urlaub. Und rede, rede, rede. Freundlich und nett, mit Hand und Fuß, mit Zettel und Stift, mit allem, was dir zur Verfügung steht. Ja, mache dich zum Hampelmann und staune, welche Türen sich öffnen. 😉

Campingschild
Gerüchteküche.

Und nun geht es zum eigentlichen Reiseteil.

Akt 1: Etna-Schnupperkurs für Einsteiger

Wie monumental er wirkt, der über 3000 Meter hohe Kegel, der sich scheinbar direkt aus dem Meer erhebt. Wir stehen auf der Westseite des Ätna, weit oberhalb von Bronte, der Pistazienstadt, inmitten von alten Lavafeldern und Kieferwäldchen. Zwischen unseren Füßen wandern Prozessionsspinner in meterlangen Kolonnen. Ab und zu brettert en Mountainbiker durch. Doch egal wo wir stehen, sind wir von der Omnipräsenz des Ätna überrascht. Auf seinen Flanken liegt Schnee, aus dem Gipfel steigen weiß-graue Rauchwolken empor. Eine wahre Postkartenlandschaft …

Akt 2: Hoch hinaus über Taormina

Es wuselt in jeder kleinen Gasse, es hupt und menschelt zwischen den restaurierten, bunten Hausfassaden, an den Eisdielen und Cafés. In Taormina, der Tourismushauptstadt der Ostküste, ist immer Saison. Wir stampfen von der Küste steile Treppen hoch, fließen mit dem Touristengetümmel immer höher in die majestätisch auf Felsen errichtete Stadt. Über den Kreuzweg hecheln wir auf den Monte Tauro hoch, vorbei am Castello und der Felskirche Madonna della Rocca. Unter uns glitzert die türkisene Bucht von Naxos, über uns thront das bunte Felsdorf Castelmola, das uns seine steilen betonierten Zustiegswege entgegenstreckt. Auch diese Einladung schlagen wir nicht aus und stampfen weiter die Höhenmeter hoch. Bald windet sich das seile, krumme Sträßchen aus der Ortschaft auf die Bergflanken heraus und verläuft als alter Maultierpfad zwischen verlassenen Obstgärten am Grat des Monte Venere, der fast 900 Meter über dem Meer wacht. Nun sitzen wir oben. Und schauen einigen Gleitschirmfliegern zu, wie sie über Taormina schweben und irgendwo hinter dem Felsen an der Küste verschwinden.

Der Ätna sieht ja schon verlockend aus. Und hier geht es weiter zum Ätna Süd und Nord…

Wanderinfo Taormina

Tourenlänge: 13 km
Anforderungen: Auf Beton, Pflasterstein und Asphalt – allerdings teilweise sehr steil. Leider nur die letzten Paar meter auf den Gipfel ein natürlicher Wanderpfad.
Anreise: Auto
Fazit: Ein etwas zäher Aufstieg, allerdings mit einigen Eisdielen und andern Trostpreisen auf dem Weg. Grandiose Aussicht auf den Ätna und die Ostküste.