Frankreich La Reunion

Mafate, wir kommen – GRR2, St. Denis bis Ilet a Malheur

09. Juni: St. Denis – Gite de la Plaine Chicots

ca. 940 Hm hoch

Wir sitzen im Bus und rollen nach Le Brûlé, einer kleinen Ortschaft ca. 750 Höhenmeter über St. Denis. Wir haben uns entschieden, auf gute Ratschläge zu hören und die erste Etappe geschwindt abzukürzen. Ok, sie knapp zu halbieren, wir sind halt Weicheier, aber dafür durchaus vernünftig, wie wir später am Abend feststellen werden 😁.

Als wir an der Endhaltestelle aussteigen, können wir fast direkt in den Regenwald einsteigen. Vorbei an Picknickplätzen, auf denen sonntags bereits um 9 Uhr morgens die Grills angeschmissen werden, vorbei an unzähligen Trailrunnern, die aus dem Berg strömen, geht es über matschige Pfade und Steine bergauf. Erinnerungen an Tasmanien werden wach, es fehlen nur paar Beuteltiere im Busch und einige quirlige Papageien. Am frühen Nachmittag ist die Hütte Gîte La Plaine des Chicots erreicht und unser Zelt aufgebaut. Kurze Zeit später hüllt sich der Regenwald auch bereits im Nebel.

10. Juni: Gite de la Plaine Chicots – La Roche Ecrite – Dos d’Ane

18,2 km, ca. 1.200 Hm runter und 600 hoch

Ach, es läuft sich so leicht ohne Gepäck! Bevor wir in die nächste Etappe starten, gönnen wir uns einen morgentlichen Gipfelhüpfer auf den Roche Écrite, dem „Beschriebenen Felsen“, in dessen steinernem Gipfelplateau unzählige Namen seiner Besteiger verewigt sind. Mit seinem 2.276 Metern ist er ein feiner Aussichtspunkt in den Cirque de Salazie und Cirque de Mafate sowie zu der Nord- und Ostküste. Wir stehen ganz alleine auf den ganzen eingeritzten Namen, über uns graue Wolken, unter uns die Cirques. Ach, die 400 Hm Aufstieg gingen doch so gut, vielleicht verlängern wir ja die heutige Etappe und steigen noch in den Talkessel zum Fluss Rivière des Galets ab?

Die drei Cirques (Salazie, Mafate, Cilaos) sind Talkwssel, die aus ehemaligen Magmakammern des Vulkans Piton de Neiges entstanden sind. Während der nordöstliche Talkessel Salazie mit seiner dichten Vegetation und vielen Wasserfällen und mittlerweile auch das südliche Talkessel von Cilaos eine Straßenanbindung haben, ist das nordwestliche Tal von Mafate nur zu Fuß (oder mit Heli) erforschbar und mit seinen vielen Gipfeln und kleinen Hochebenen ein beliebtes Wandergebiet sowie Abenteuerspielplatz. Zusammen mit dem über 3.000 m hohen Piton de Neiges gehören die drei Cirques seit 2010 zum UNESCO-Weltnarurerbe.

Als wir wieder unten beim Zelt ankommen, ist es bereits nach 10 Uhr. Die Sonne lässt heute auf sich warten und so starten wir unsere zweite Etappe unter grauen Wolken. Der Weg führt uns über einen schmalen Pfad am Grad entlang. Statt Fernsicht gibts dann nur Farne, den der Regenwald wuchert auch hier oben sehr dicht und in alle Richtungen. Als wir aus dem Gestrüpp ausbrechen, versinkt das Tal von Mafate unter uns im warmen Sonnenlicht. Steile Gipfel ragen in den Himmel, zerfürchte Felswände kesseln die Wälder ein. Doch trotz traumhaften Ausblicken krächzt der Rücken unter dem Rucksack, die Haxen schreien, am liebsten würde ich mich einfach so hinlegen und den Pizza-Service anrufen. Von wegen 3 Stunden Gehzeit! Die Zeitangaben scheinen sich hier auch eher auf den trainierten Trailrunner zu beziehen, als auf den rucksackschleppenden Wanderer. Doch statt die Beine hochzulegen, entscheiden wir uns noch, zum Cap Noir abzusteigen, einen Aussichtpunkt bei dem Dörfchen Dos d’Ane. Es ist ja nicht so weit und die paar Höhenmeteter – ja, das geht bestimmt ganz schnell.
Nun ja, sagen wir mal so: fast kriechend erreichten sie spät nachmittags eine Herberge, die noch freie Schlafplätze hatte und erklärten einstimmig die Etappe für beendet, bevor sie sich dem leckeren Abendessen widmeten.

11. Juni: Dos d’Ane – Ilet a Malheur

11,1 km, ca. 840 Hm hoch, 1.140 runter

Als wir nach dem Frühstück gemeinsam mir einigen anderen Gleichgesinnten die Hütte verlassen, strahlt die Sonne um die Wette. Leichter Muskelkater krabbelt die Beine hoch, war der Vortag doch beschwerlicher als gedacht. Zum Trost gibts halt Croissants aus dem Supermarkt und ab geht’s durch den Wald zum Fluss unten im Tal. Als wir unten ankommen, sind über zwei Stunden rum. Dort, wo die 4×4-Piste endet, werden gerade Tagestouristen abgeladen, die in ihren bunten Nikes über Steine im Rivière des Galets hüpfen und sich auf den Weg zu den Aussichtspunkten machen. Wir hüpfen auch über die Steine, doch es sieht wahrscheinlich nicht ganz so elegant aus – das Gepäck auf dem Buckel stört das Gleichgewicht doch erheblich und wir kommen uns eher wie Elefanten vor, als wie Gazellen.

Der Pfad verlässt bald das Flussbett und schlängelt sich am Hang nach Aurère hoch. Der Talwind ist uns gnädig und sorgt an diesem sonnigen Tag für etwas Abkühlung, das Panorama lenkt vom Höhenmeterzählen ab. Kurz vor Aurère sitzen wir noch mit Sibylle und Martin, die wir vor zwei Tagen kennengelernt haben, an einem Aussichtspunkt und sinnieren über die eigenartigen Zeitangaben für die Wanderstrecken. Als wir später von Aurere zum Îlet de Malheur laufen, spüren wir ein Fünkchen Hoffnung, sich in den kommenden Tagen zeitmäßig doch nicht komplett zu versenken. Denn die Zeitangabe für diese kurze Strecke hat immerhin gestimmt.